Autismus und Schmerzen
Zu viel und zu wenig Schmerz
„Ich werde niemals – ich weiß es – niemals über die Natur meiner Wahrnehmungen Gewißheit haben.“
Die Sinneswahrnehmung erfolgt bei uns Menschen über die 5 externen Sinne:
Hören, Riechen, Sehen, Schmecken, Fühlen.
Es gibt aber noch viel mehr Sinneswahrnehmungen, die man als interne Sinne bezeichnen kann. Nämlich das Empfinden von:
Schmerz, Temperatur, Gleichgewicht, Position der eigenen Gliedmaße und Lage des Körpers im Raum (Propriozeption), Hunger, Müdigkeit, Juckreiz, Übelkeit, etc.
Verletzungsgefahr
Hypersensitiv und/oder Hyposensitiv
Wichtige Information: Autistische Menschen klagen oft über Schmerzen, die nicht autistische Menschen beim besten Willen nur vage nachvollziehen können.
Ärzte sollten über diese Dispositzion informiert werden, Eltern müssen stets hellhörig und Betroffene selbst gut informiert sein.
Denn eine ernsthafte Verletzung könnte übersehen werden und schlimme Folgen nach sich ziehen. Oder die betroffene Person muss unnötige leiden, weil Bezugspersonen, das Schmerzempfinden aus Unwissenheit als harmlos oder übertrieben abtun.
Hypersensitiv
Reize sind zu intensiv
Bei hypersensitiven Menschen werden Reize extrem intensiv wahrgenommen. Sehr schnell ist alles zu viel, es kommt zur Überstimmulierung und einem Overload. Hören die vielen Eindrücke nicht auf, kommt es meist zu einem Meltdown. Dabei bricht das innere System durch das Zuviel an Eindrücken komplett zusammen. Mehr zum Thema Overload und Meltdown erfährst Du hier.
Hyposensitiv
Zu schwache Reize
Neben der Überstimmulierung gibt es noch die hyposensitive Reizaufnahme. Das bedeutet, dass ein Reiz kaum, zeitverzögert oder auch gar nicht wahrgenommen wird. Es braucht also mehr Intensität für die Wahrnehmung, Verarbeitung und auch Reaktion auf einen Input.
Externe Sinneswahrnehmung bei Hyposensitivität
AUDITIV (HÖREN)
Worte werden zwar irgendwie gehört, aber die Bedeutung kann nicht herausgefiltert werden. Damit Worte nicht nur wie ein Geräusch klingen, bedarf es großer Konzentration
VORTEIL: Leise Geräusche (Ticken einer Uhr z.B.) verursachen keinen Overload
NACHTEIL: Ein Gespräch zu führen bedarf viel Energie
VISUELL (SEHEN)
Viele kleine Zahlen am Bildschirm oder Bilder mit vielen Details wirken beruhigend, statt überwältigend. Je mehr und je bunter, umso besser wird die Information verarbeitet
VORTEIL: Kann ein großer Vorteil im Job sein
NACHTEIL: Das große Gesamtbild kann nicht erfasst werden. Ggf. fehlt das Unterscheidungsvermögen, wenn die Reizschwelle unterschritten ist (z.B. Farben sortieren)
OLFAKTORISCH (RIECHEN)
Gerüche werden nicht wahrgenommen, oder erst wenn sie extrem intensiv sind. Düfte können nicht unterschieden werden
VORTEIL: Kein Overload durch unangenehme Düfte
NACHTEIL: Gefahrenpotenzial, wenn Feuer oder Verdorbenes nicht rechtzeitig gerochen wird
GUSTATORISCH (SCHMECKEN)
Ggf. werden scharfe und intensive Speisen bevorzugt
TAKTIL (FÜHLEN)
Eine sanfte Berührung wird nicht als solche wahrgenommen und kann im Gehirn nicht verarbeitet werden. Das Gehirn ist verwirrt, weil es nicht einordnen kann, was "das" ist. Sanfte oder auch plötzliche Berührungen sind unangenehm. Starker Druck wird als angenehm wahrgenommen. Typisch: Intensives Stimming und versehentliche Selbstverletzung. Man merkt nicht, dass man sich selbst verletzt, weil sich der intensive Reiz einfach nur gut anfühlt. Schwere Decken oder sehr enge Kleidung wirken beruhigend. Stillsitzen fällt schwer, weil man sich im Nichts verliert
VORTEIL: Hohe Schmerztoleranz
NACHTEIL: Gefahr, Verletzungen zu vernachlässigen
Interne Sinneswahrnehmung bei Hyposensitivität
BEWUSSTSEIN
Das Umfeld, die Umgegebung und man selbst in der Welt werden nicht ausreichend wahrgenommen. Gegenstände werden plötzlich fallen gelassen, weil man vergißt, dass man sie in der Hand hält. Türen, Tische etc werden angerannt und Menschen übersehen
VORTEIL: Positives kann anfokusiert werden und alles andere ausgeblendet werden. Das Negative wird einfach ignoriert
NACHTEIL: Verletzungsgefahr. Zudem fehlt das Gefühl für bedrohliche Situationen, weil die einzelnen Anzeichen nicht verarbeitet und als bedrohliche Gesamtsituation zusammen gepuzzelt werden
INNERE KÖRPERWAHRNEHMUNG (INTEROZEPTION)
Die Wahrnehmung, die im Körperinneren stattfindet ist nicht gut entwickelt. Dies bezieht sich sowohl auf das eigene Empfinden seiner selbst gegenüber anderen, als auch auf die physischen inneren Zustände
VORTEIL: Es spielt keine Rolle, wie man aussieht, wie man auf andere wirkt. Es kann ein starkes Selbstbewußtsein vorhanden sein
NACHTEIL: Man bemerkt nicht, dass man krank wird oder sich nicht gut fühlt. Auch grundlegende Körperbedürfnisse, wie Hunger- oder Durst-Gefühl werden nicht oder kaum wahrgenommen. Manchmal passieren auch "Toiletten-Unfälle", weil der Toiletten-Drang nicht rechtzeitig bemerkt wird
EMOTIONALE HYPOSENSITIVITÄT
Egal ob Stress oder Körperdrang, viele Stimuli lösen einfach keine oder nur eine zeitverzögerte emotionale Reaktion aus. Im Normalfall meldet sich das Hungergefühl beispielsweise dadurch, dass man zunehmend ungeduldiger oder unkonzentrierter wird. Bei Hyposensitiven gibt es aber keine Steigerung in der emotionalen Reaktion auf etwas. Vieles meldet sich plötzlich und zeitverzögert mit einer enormen Intensität. Es ist als würde man auf einer Skala von 0 bis 10 die Zwischenschritte überspringen und man wird von einem Meltdown überrascht
VORTEIL: Wenn man Glück hat beginnt ein Stressfaktor und bildet sich nicht voll aus. Wenn er bei einer allgemeinen Steigerungsstufe 4 nachlässt, hat man gar nichts davon bemerkt
NACHTEIL: Overlaods sind schwerer zu vermeiden, weil man nicht merkt, wie sie sich anbahnen
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