Psychologische Beratung und Coaching
für Familien mit Autismus

Eure Fragen - meine Antworten

Autistisch wahrgenommen - Neurotypisch erklärt

Die größten Tragödien in der Welt und im Leben des einzelnen entspringen Mißverständnissen.

Gordon Evans Dean

Videos rund um Autismus-Fragen

Zuschauer auf dem Autismus-Spektrum haben mir viele interessante Fragen gestellt. Einige davon möchte ich hier schriftlich beantworten. Vielleicht hat der eine oder andere von Euch Besuchern meiner Webseite auch ähnliches erlebt. Bleibt neugierig und stellt gerne weiterhin Fragen,

Unterschrift Dorothea Whitehead

Zwinkern und Zulächeln

FRAGE: In der Stadt, Schule oder auf Veranstaltungen passiert es mir immer mal wieder, dass mir jemand zulächelt, die Augenbrauen hochzieht oder mir zuzwinkert ohne, dass wir uns persönlich unterhalten, sondern in einem Moment, wo sich ganz kurz die Blicke treffen.
Was will die andere Person damit ausdrücken und was wird von mir als Reaktion erwartet?

Lari

Liebe Lari

Das kann eine sehr gefährliche Situation werden, wenn Du an die falsche Person gerätst. Damit meine ich, dass jemand Dich in so einer Situation eindeutig einlädt, in intimen Kontakt zu treten. Nicht jede Person, die so etwas tut, ist gefährlich, aber dieses Verhalten ist ein klares Anzeichen, dass derjenige Dich attraktiv findet und sich Dir ggf sogar sexuell nähern möchte. Es ist eine sogenannte Anmache, besonders das Zuzwinkern. In der Stadt und an anderen neutralen Orten (Bahnhof, Haltestelle, Wartezimmer, Einkaufsladen)ist so ein Zuzwinkern nicht üblich und nicht erwünscht. Sei vorsichtig bei solchen Menschen! Zeigst Du Unsicherheit könnten sie das bewusst ausnutzen. Deine Reaktion sollte deshalb sehr bestimmt sein: Wende Dich ab und schaue die Person nicht mehr an. Gehe woanders hin, wenn möglich. Solltest Du trotzdem angesprochen oder gar belästigt werden, musst Du deutlich Deine Grenzen aufzeigen. Wenn die Person nicht aufhört, Dich anzugrinsen, dann sage klar: “Ich möchte nicht mit Dir/Ihnen sprechen. Ich fühle mich belästigt." Wenn das nicht hilft, dann sage laut und deutlich: " Hören Sie auf mich anzusehen und lassen Sie mich in Ruhe oder ich rufe die Polizei”. Stelle Dich unbedingt zu anderen Menschen und im Notfall musst Du unbedingt um Hilfe bitten. Niemand darf Dich verunsichern und Du musst Dich dagegen wehren.

Wenn Du allerdings auf einer Party bist, wo gleichaltrige Menschen sich treffen, um Freundschaften zu schließen, oder in einer Tanzschule, wo man sich Tanzpartner sucht, dann ist so ein Lächeln, ein Versuch Kontakt aufzunehmen, um sich gegenseitig kennenzulernen. Das ist in den meisten Fällen okay und bedeutet: “Ich finde Dich interessant, Du wirkst sympathisch, ich würde Dich gerne kennenlernen”. In der Schule musst Du nur aufpassen, dass nicht eine Gruppe von Schülern zusammensteht und einer Dir zuzwinkert und die anderen grinsen, lachen oder schauen weg. Denn dahinter könnte auch ein Zuzwinkern eher auf eine blöde Anmache mit Mobbing-Versuch stecken. Man kann sagen, dass Zwinkern eher eine witzige oder nette Geste ist, wenn man sich bereits lange kennt. Sonst ist es aufdringlich und Du solltest vorsichtig sein.


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Unverdiente Komplimente

FRAGE: Oft bekomme ich Komplimente für Dinge, für die ich gar nichts kann: Die Schönheit meines Hundes, meine Augenfarbe und ähnliches.
Warum tut man das? Und was wird von mir in solchen Situationen erwartet? Warum sollte ich mich für etwas bedanken, auf das ich keinen Einfluss habe?

Anna

Liebe Anna

Das ist richtig komisch bei den NTs (neurotypischen, nicht autistischen Menschen). Wir verteilen hemmungslos Komplimente aus teilweise sehr unterschiedlichen (meist emotionalen) Gründen. Gründe, warum wir manchmal ein Kompliment machen:

  • Aus Verlegenheit, weil wir die Stille mit einer Person nicht aushalten
  • Weil wir nicht wissen, was wir sonst sagen sollen
  • Manchmal wählen wir die erstbeste Auffälligkeit und sagen etwas positives darüber, weil uns selbst solche Komplimente gefallen und wir stolz auf Augenfarben etc sind (das gilt aber nicht für jeden NT!)
  • Ganz oft wollen wir einfach nett sein und wollen, dass der andere sich gut fühlt
  • Wir versuchen auf diese Weise ein Gespräch zu starten und in Kontakt zu treten
  • Wir hoffen, dass wenn wir etwas Nettes sagen (Sachinformation spielt da eine untergeordnete Rolle), der andere auch etwas Nettes sagt und sich das Gespräch nach und nach vertiefen könnte
  • Wir alle tun das so und deshalb ist das allgemein akzeptiert. Kaum ein NT denkt in der Situation an die sachliche Korrektheit der Aussage. Das stört die NTs nicht, weil wir wissen, dass der andere nur nett sein möchte
  • NTs kommunizieren oft unabhängig vom Sachinhalt auf der emotionalen Ebene. Das bringt manchmal Probleme mit sich: Bei Streit muss uns häufig eine neutrale Person erinnern, dass wir gar nicht mehr wegen einer Sache streiten, sondern uns gerade aufgrund von emotionalen Befindlichkeiten anfeinden

Du musst Dich für so ein Kompliment nicht zwangsläufig bedanken. Du kannst so etwas sagen wie: “Ja, das sagen sehr viele Leute zu mir”. Lächle dabei, dann fühlt sich der andere nicht unwohl, weil er etwas gesagt hat, was Du schon tausend mal gehört hast. So wird er die knappe Antwort akzeptieren. Oder beim Beispiel Hund: “Ja, ich finde meinen Hund auch sehr schön. Das ist ein [Rasse: z.B. Pudel]. Das Fell ist schön und haart auch nicht. Das ist sehr praktisch, weil man nicht so viel staubsaugen muss”. Hier kannst Du dann gerne ein 2-3 Sätze an Sachinformation zu dem Thema geben - wenn Du magst. Du kannst es aber auch so belassen. Gehe einfach mal davon aus, dass die Person Dir sehr wohlgesonnen ist und erwidere ihre Freundlichkeit mit mit einem Lächeln.


Sogar die Lehrerin hat gelacht

FRAGE: In der Schule sollten wir uns partnerweise zusammenfinden. Ich hatte keinen Partner und so musste eine Dreiergruppe gebildet werden. Zwei mögliche Partner standen mir dabei zu Verfügung. Da diese zwei Personen nicht entscheiden wollten, mit wem ich zusammenarbeiten sollte, haben sie mich mit Hilfe eines Zettels losen gelassen. Es kam der Junge heraus und für mich war eigentlich klar, dass das jetzt mein Partner ist. Allerdings haben die beiden mich dann (nochmal) gefragt, ob ich mit x.... zusammenarbeiten möchte. "Muss ich ja wohl" habe ich geantwortet, denn es kam ja schließlich beim Losen so heraus. Darauf hat ein anderer Junge zu x... gesagt, dass ich ihn gerade „voll hops" genommen hätte - Was heißt das denn? Dann hat der Großteil der Klasse und sogar die Lehrerin gelacht. (Am Ende war dann übrigens das Mädchen meine Partnerin.)
Was habe ich denn falsch gemacht und warum haben alle gelacht? Und wieso sollte ich losen und das Ergebnis wurde am Ende eh ignoriert?

Lena

Liebe Lena

Es wird immer wieder solche Situation geben, die einfach keinen Sinn machen. Beobachte genau, was in welchen Situationen geschieht und bitte Personen Deines Vertrauens um eine Erklärung. Versuche solche Redewendungen und Reaktionen so gut wie möglich auswending zu lernen - ähnlich wie Vokabeln lernen. Irgendwann wirst Du merken, dass es Muster dahinter gibt und es wird Dir leichter fallen, die NTs und ihre Sprache zu verstehen. Wenn Du einen Ausdruck nicht verstehst, kannst Du ihn auch googlen: „Hops genommen“ bedeutet in der Jugendsprache und im Rap: Jemanden verarschen oder veralbern. Bei einem Prank (Streich) wird z.B. der oder die Geprankte „hops genommen“. Es bedeutet: Jemanden die Show stehlen oder schlagfertig kontern.

Du hast Recht, das Los hatte entschieden und Du hast angenommen, jetzt den Spielregeln entsprechend mit dem Jungen x ein Team zu bilden. Deine Verwirrung ist absolut nachvollziehbar und ich versuche Dir die neurotypische Sichtweise zu erklären. Die NTs "sprechen und hören" auf Ebenen, die Autisten fremd sind. Daher kommen auch all diese Missverständnisse. Autisten bevorzugen eine reine Sachebene. In Deinem Beispiel wird deutlich, dass Du die Situation sachlich und wortwörtlich verstanden hast. Was Du jetzt hoffentlich besser verstehen lernst, ist, dass bei NTs das Verstehen (Hören und Sprechen) selten zuerst sachlich ist (Ausnahmen: Ausdrücklich sachliche Diskussion, Amt und Behörde Angelegenheiten, Polizei, Arzt etc). NTs gehen automatisch davon aus, dass auch Du auf zuerst auf emotionaler Ebene kommunizierst.Ich schildere Deine Situation mit NT-Wahrnehmung und erkläre sie Dir.

NTs sind nicht gerne alleine und fühlen sich sicherer in einer Gruppe oder mit einem Teampartner. Allein die Tatsache, dass Du noch keinen Partner hattest, hat in Deinen Klassenkamerade wahrscheinlich folgende Gefühle ausgelöst:

  • Verlegenheit und Scham - stellvertretend für Dich
  • Unwohlsein - stellvertretend für Dich
  • Mitgefühl für Dich
  • Vielleicht auch Schadefreude, wenn Dich jemand nicht mag

Auf jeden Fall dachten sie, dass Du Dich schlecht fühlen musst, weil sie sich selbst unglaublich schlecht in der Situation fühlen würden. (Es kann sein, dass Du Dich schlecht gefühlt hast, muss aber nicht) Um also Deine Gefühle nicht weiter zu verletzen oder einfach schnell aus der (vermeintlich) peinlichen Situation zu kommen, wurde ausgelost. Das sollte die Qual der Entscheidungsfindung erleichtern. Die Nachfrage, ob das Ergebnis okay für Dich ist, war vermutlich freundlich gemeint. Falls Du Dich damit komplett unwohl gefühlt hättest, hättest Du es signalisieren dürfen und sie hätten Verständnis gehabt. Gleichzeitig wird von Dir erwartet, dass Du Dich Deinem Los-Schicksal fügst und diese eher rhetorische Frage nett beantwortest: “Ja, klar. Kein Problem. x und ich können ein Team bilden” und dann am besten noch lächeln…

Ich weiß, das ist wirklich kompliziert. So umständlich ist die Welt der NTs. Wir haben viele feine soziale Antennen, die uns klar signalisieren, was für eine Stimmung da ist. Ein einziger Satz kann in 4 unterschiedlichen "Frequenzen" in unseren "Antenennen" ankommen. Deine Antwort war sachlich gemeint, aber niemand hat es sachlich "gehört" und auch so verstanden. Sattdessen wurde Deine Antwort eher so verstanden: “Mir bleibt ja wohl nichts anderes übrig, als mit diesem Idioten ein Team zu bilden. Blödes Los! Ich wünschte, es wäre ein anderes Ergebnis gewesen” - Es klang also eher abwerten und daher dachten sie, Du hättest Deinen Teampartner hops genommen - allen anderen und besonders dem neuen Teampartner schlagfertig einen bösen Streich gespielt (weil Du mit der Situation nicht zufrieden bist).


Süße Jungs

FRAGE: Situation aus der Regelschule: Ich wurde in die Mädelsgruppe genommen und sollte sagen, welchen der Jungs der Klasse ich denn am süßesten fände. Ich sollte sagen, mit wem ich mal gehen wollte. Der Junge, den ich optisch am bestaussehenden fand, meinte: "Nee, mit der doch nicht!" Eine der Mädels sagte dann: "Aber mich findest du doch toll?" Wenn es um Musik geht, wollen sie wissen, welche Gruppen und Sänger ich toll finde. Dann sage ich, dass mir die Musik von der Gruppe xy gefällt. Dann aber kommt die Frage, wen aus der Band ich denn am süßesten finde. Dabei habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Ein paar Jahre später folgende Situation: Im Gespräch mit einer Bekannten fragt sie mich: "Warum hast du keinen Freund? Geh doch mal feiern! Oder melde dich mal im Sportverein an." Ich erkläre, dass mich weder Disco noch Vereinssport sonderlich reizen. Sie sagt: "Ja, aber da lernst du doch auch neue Leute kennen!" Ich: "Über was soll ich mich unterhalten? Die haben doch ganz andere Themen als ich." Sie: "Ach da findet sich immer irgendein Thema." Ich: "Immer dieselben. Ist irgendwann langweilig." Sie: "Wieso, ist doch immer spannend, sich zu unterhalten!" Wenn ich da mal eine Vermutung hätte, was in meinem Gegenüber wohl vorgeht.

Elischeva

Liebe Elischeva

Wenn Du Dich nicht für Jungs oder eine Beziehung interessierst, dann ist das völlig okay. Das muss ja nicht für jeden Menschen Thema Nr. 1 sein. Bei vielen Menschen ist eine Beziehung allerdings essentiell wichtig und bereits Teenager bereiten sich darauf vor, eines Tagen eine feste Partnerschaft einzugehen. Auch im Tierreich wird beobachtet, wie die Jungen sich in all den Aktivitäten üben, die für ihr erwachsenes Leben wichtig sind. Deshalb ist das Thema in der Pubertät auch so spannend für Mädchen und Jungen. Es wird diskutiert, Grenzen und Geschmäcker verglichen und getestet. Entwicklungspsychologisch eine ganz angemessene Verhaltensweise.

Was das Kennenlernen von neuen Leuten und Smalltalk anbelangt, bist Du nicht die einzige autistische Person, die das komisch findet. Wir NTs lieben es zu sozialisieren - manche mehr, andere weniger - aber kaum jemand fühlt sich dauerhaft wohl, wenn er viel alleine ist. Kontakte und das pure Beisammensein sind wie ein Lebenselexier und ohne dem fühlen wir uns nicht wohl. Bei vielen NTs spielt der Inhalt des Gesprächs überhaupt keine wichtige Rolle. Für manche ist das sogar unnötig viel Nachdenken. Diese Menschen wollen einfach nur gesellschaftlich teilhaben. Sie empfinden Gespräche nicht als langweilig, weil es eben nicht um Informationen geht, sondern um Emotionen. Es geht darum gemeinsam zu lachen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Manche Menschen bevorzugen tiefe Gespräche, aber auch die werden für gewöhnlich über einen Smalltalk eingeleitet. Mit dem Smalltalk versuchen wir Gemeinsamkeiten zu finden, um dann ggf. das Gespräch zu vertiefen. Fällt diese Form von Annäherung (Smalltalk) weg, fühlen wir uns überrumpelt.


Nicht ernst genommen?

FRAGE: Gibt es grundsätzlich eine soziale Funktion von Redundanzen in Kommunikationsabläufen? Und wenn ja, welche? Simplifiziertes Beispiel: Ein Kollege fragt bei der Arbeit: „Hast du Frau xy heute schon gesehen?" Meine Antwort: „Nein.“ Kollege: ,,Wirklich nicht?" (mitunter Zusätze wie ,,Sie müsste doch eigentlich hier sein.“, o.ä.) Ich erkenne keinen Sinn in einer erneuten Nachfrage auf wirklich klare Antworten (besonders bei „Ja“ oder „Nein"), fühle mich mitunter nicht ernstgenommen, weil ich meine, klar geantwortet zu haben, was aber scheinbar nicht akzeptiert wird. Daher: enthält die (unsinnige) Nachfrage eine sozial relevante Botschaft? Oder: warum macht man das?

Dani in Helsinki

Liebe(r) Dani in Helsinki

Eine spezielle soziale Funktion hat so eine Aussage nicht. Die erneute Nachfrage ist in den allermeisten Fällen ein lautes Nachdenken. Derjenige denkt über die Situation nach und sagt oder fragt unbewußt etwas, das eigentlich überflüssig ist. Deine Antwort wurde sehr wohl ernst genommen, allerdings hat sich Dein Gegenüber noch nicht entschieden, wie er zu der Situation Stellung beziehen soll. Es ist eine Art Zeitgewinnung, bis Dein Gegenüber weiß, was er/sie jetzt tun soll, tun will oder auch tun muss. NTs antworten in so einer Situation meist bestätigend oder sie zeigen Anteilnahme an dem Gedanken-Aufwand oder der Sorge des Anderen. Je nachdem wie dringend die Situation scheint, wird leicht anders reagiert. Ist die Situation SEHR dringend, sagt man z.B.

  • “Ja, finde ich auch merkwürdig” - das wäre die Bestätigung für den Nachdenker. “Kann ich irgendwie helfen?”, “Soll ich XY suchen?”
  • Ist es nicht eindeutig dringend sagen viele so etwas wie:
  • “Nein. Komisch, ich dachte auch, dass sie hier sein sollte”
  • “Nein, sorry, sie ist nicht hier”

Lass dich überraschen!

FRAGE: Warum machen NTs teilweise ein Geheimnis aus Dingen? Meine Mutter antwortet sehr oft auf die Frage, was es denn zu essen gibt oder ähnliches: "lass dich überraschen". Ich würde das jedoch gerne gleich wissen, damit ich mich darauf einstellen kann, falls es etwas ist, das ich nicht mag, und muss dann 5 mal nachfragen

Benjamin

Lieber Benjamin

Ui, hier hast Du mich erwischt :) Ich habe so etwas auch oft gemacht… Dieses “Lass dich überraschen” ist typisch, wenn man gerade intensiv mit Kochen beschäftigt ist oder auf etwas anderes sehr konzentriert ist. Es fällt mir dann leichter, eben schnell mal “Lass dich überraschen” zu sagen, als mich zu erinnern, wie das Gericht heißt oder woraus es besteht. Das ist nicht böse gemeint, aber manchmal sind wir NTs etwas faul oder wirklich gerade überfordert und halten es selbst nicht für wichtig, zu wissen, was es zu essen geben wird. In manchen Kulturkreisen ist es sogar unhöflich so etwas zu fragen, denn der Gastgeber oder Koch macht sich Mühe, das allerbeste für seinen Gast aufzutischen. Wenn der Gast nachfragt, dann wirkt es so, als würde er die Qualität hinterfragen. Sehr kompliziert - ich weiß. Bei Deiner Mutter ist es eher, wie bei mir. Das gedankenlose Murmeln dieser nichtssagenden Aussage kostet mich keine Kraft. Nachzudenken über etwas, was Du später sowieso erfahren wirst (nämlich spätestens am Tisch), ist ein unnötiger Aufwand, den wir oft keine Lust oder Kraft haben zu machen.


Unsinniges Nachfragen

FRAGE: Gibt es grundsätzlich eine soziale Funktion von Redundanzen in Kommunikationsabläufen? Und wenn ja, welche? Simplifiziertes Beispiel: Ein Kollege fragt bei der Arbeit: „Hast du Frau xy heute schon gesehen?" Meine Antwort: „Nein.“ Kollege: "Wirklich nicht?" (mitunter Zusätze wie "Sie müsste doch eigentlich hier sein.“, o.ä.) - Ich erkenne keinen Sinn in einer erneuten Nachfrage auf wirklich klare Antworten (besonders bei „Ja“ oder „Nein"). Ich fühle mich mitunter nicht ernstgenommen, weil ich meine, klar geantwortet zu haben, was aber scheinbar nicht akzeptiert wird. Daher: enthält die (unsinnige) Nachfrage eine sozial relevante Botschaft? Oder: warum macht man das?

Dani in Helsinki

Liebe(r) Dani in Helsinki

Eine spezielle soziale Funktion hat so eine Aussage nicht. Die erneute Nachfrage ist in den allermeisten Fällen ein lautes Nachdenken. Derjenige denkt über die Situation nach und sagt oder fragt unbewußt etwas, das eigentlich überflüssig ist. Deine Antwort wurde sehr wohl ernst genommen, allerdings hat sich Dein Gegenüber noch nicht entschieden, wie er zu der Situation Stellung beziehen soll. Es ist eine Art Zeitgewinnung, bis Dein Gegenüber weiß, was er/sie jetzt tun soll, tun will oder auch tun muss. NTs antworten in so einer Situation meist bestätigend oder sie zeigen Anteilnahme an dem Gedanken-Aufwand oder der Sorge des Anderen. Je nachdem wie dringend die Situation scheint, wird leicht anders reagiert. Ist die Situation SEHR dringend, sagt man z.B. “Ja, finde ich auch merkwürdig” - das wäre die Bestätigung für den Nachdenker. “Kann ich irgendwie helfen?”, “Soll ich XY suchen?” Ist es nicht eindeutig dringend sagen viele so etwas wie: “Nein. Komisch, ich dachte auch, dass sie hier sein sollte” “Nein, sorry, sie ist nicht hier”


Geheimnistuerei statt Antwort

FRAGE: Warum machen NTs teilweise ein Geheimnis aus Dingen? Meine Mutter antwortet sehr oft auf die Frage, was es denn zu essen gibt oder ähnliches: "Lass dich überraschen". Ich würde das jedoch gerne gleich wissen, damit ich mich darauf einstellen kann, falls es etwas ist, das ich nicht mag. Stattdessen muss ich 5 mal nachfragen

Benjamin

Lieber Benjamin

Ui, hier hast Du mich erwischt :) Ich habe so etwas auch oft gemacht… Dieses “Lass dich überraschen” ist typisch, wenn man gerade intensiv mit Kochen beschäftigt ist oder auf etwas anderes sehr konzentriert ist. Es fällt mir dann leichter, eben schnell mal “Lass dich überraschen” zu sagen, als mich zu erinnern, wie das Gericht heißt oder woraus es besteht. Das ist nicht böse gemeint, aber manchmal sind wir NTs etwas faul oder wirklich gerade überfordert und halten es selbst nicht für wichtig, zu wissen, was es zu essen geben wird. In manchen Kulturkreisen ist es sogar unhöflich so etwas zu fragen, denn der Gastgeber oder Koch macht sich Mühe, das allerbeste für seinen Gast aufzutischen. Wenn der Gast nachfragt, dann wirkt es so, als würde er die Qualität hinterfragen. Sehr kompliziert - ich weiß. Bei Deiner Mutter ist es eher, wie bei mir. Das Murmeln dieser nichtssagenden Aussage kostet mich keine Kraft. Nachzudenken über etwas, was Du später sowieso erfahren wirst (nämlich spätestens am Tisch), ist ein unnötiger Aufwand, den wir oft keine Lust oder Kraft haben zu machen.


Was denn nun!?!

FRAGE: Warum erzählen mir Menschen von ihren (lösbaren!) Problemen und wollen dann aber keine Lösungsvorschläge oder reagieren sogar böse, wenn ich ihnen eine einfache Lösung für ihr Problem vorschlage? Ich möchte ihnen doch helfen, aber scheinbar wollen sie gar keine Lösung für ihr Problem. Was wollen sie denn dann von mir?

Nini

Liebe Nini

Das ist ein Klassiker! Wir NTs wollen tatsächlich oft keine Lösung vorgesetzt bekommen. Vielmehr möchten wir selbst entscheiden, selbst Lösungen entwickeln. Wenn wir dich um Rat fragen, explizit sagen: “Kannst du mir helfen, ich brauche einen Rat”, dann ist wirklich eine Lösung gewünscht. Bei lösbaren Problemen wollen NTs nur eine emotionale Regung in dir wecken. Denk dran, NTs kommunizieren primär auf emotionaler Ebene und nicht zuerst auf der sachlichen! So wollen wir, wenn wir von einem Problem sprechen, Mitleid erzeugen. Oder Anerkennung. Oder wir wollen unsere Gedanken sortieren. Das fällt uns oft leichter, wenn wir sie jemanden erzählen, der einfach zuhört, nachfragt und uns in unserer Lösungsfindung unterstützt. Das ist oft dadurch gewährleistet, wenn du bestätigst, was der Problemlöser laut äußert. Wenn es absolut keine gute Idee ist, kann man sanft darauf hinweisen. Aber davor unbedingt noch die Gefühle validieren “Ich verstehe ja, wie du dich fühlst, aber schau mal, das wird so nicht funktionieren” Unsere Welt ist nicht so ganz einfach zu verstehen. Wir haben komplexe Gefühle, die uns mitunter sehr verwirren können. Alles dreht sich um Befindlichkeiten. Jeder Streit und so ziemlich jedes zwischenmenschliche Problem.


Ich bin kein kleines Kind mehr!

FRAGE: Was mich interessieren würde, wäre, warum mich meine Oma (aus meiner Sicht) wie ein kleines Kind behandelt. Also 5 mal fragen, ob ich was trinken will - obwohl ich schon 5 mal nein gesagt habe, fragen, ob wir das auch wirklich essen - obwohl wir noch nie was dagegen gesagt haben, fragen ob ich noch mehr essen will - obwohl ich eine risen Portion gegessen habe und dann, wenn ich verneinte, zu sagen "oh, du hast aber ein kleines Mägelchen". Warum macht sie das?

Miriam

Liebe Miriam

Ich liebe Deine Frage! Meine Mutter war auch so und mein Asperger-Mann fand das immer sehr suspekt! :) Deine Oma meint es absolut gut mit Dir. Das ist ein Ausdruck von starkem Wohlwollen Dir gegenüber. Sie möchte Dir alles geben und noch vielmehr. Sie möchte Rücksicht zeigen und Dir zu verstehen geben, dass sie sich Mühe macht, auf Deine Wünsche einzugehen. Sie will Dir mit Überschwenglichkeit und Überfluß etwas Gutes tun. Du sollst mehr als nur das Nötigste bei ihr bekommen. Die Intention dahinter ist, dass Du Dich wohl, umsorgt und geliebt fühlen sollst. Und das ist typisch für eine liebevolle NT-Oma!

Ausgeglichen­heit und Harmonie im Alltag

Das ist auch mit Autismus möglich

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